Kohlenstoffhaushalt
Räumliche und zeitliche Dynamik des Kohlenstoffhaushalts in Amazonas Regenwäldern (T. Neeff/D. R. Pelz)
Mit dem Kohlenstoff-Kreislauf der großen Wälder Südamerikas verbinden sich bis heute eine Reihe ungelöster Fragen. Es ist unklar wo und wieviel Kohlenstoff in der Biomasse der Wälder gespeichert ist, und deshalb ist unklar wo und wieviel Kohlenstoff frei wird oder gebunden wird, wenn menschliche Einflüsse das biologische Gleichgewicht der Region verändern. Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat die Notwendigkeit einer Behandlung dieser Fragen für Global-Change Forschung, für das Verständnis des Treibhauseffekts und für Global Circulation Modellierung erkannt (Schimel et al. 2001). Das Projekt widmet sich dem Problem mit einem Ansatz kontinentaler ökologischer Modellierung, dessen Stärken in seiner transparenten Methodik, seiner Basis in weithin verfügbaren Daten und seiner einfachen Anwendbarkeit bestehen.
Der menschliche Siedlungsdruck hat im Amazonas ungebremste Walddynamik zur Folge. 'Wald' kann dort genauso einen jungfräulichen Dschungel beschreiben, wie die mannshohe Vegetation auf aufgelassenen Weideflächen, wie ein durch selektive Holznutzung verwüstetes Ökosystem. Es ist nicht bekannt, wo es welche Flächen an Primärwald, Sekundärwald, und Degradiertem Wald gibt; noch ist bekannt wieviel Kohlenstoff ein primärer Wald in seiner Biomasse speichert, oder wieviel Kohlenstoff ein wachsender Sekundärwald aus der Atmosphäre aufnimmt, oder inwieweit der Kohlenstoffspeicher eines degradierten Waldes beschädigt ist. Zur wissenschaftlichen Einschätzung des kontinentalen Kohlenstoff-Budgets der südamerikanischen Wälder müssen deshalb zunächst zwei Fragen beantwortet werden:
"Wo gibt es welche Wald-Typen in welcher Flächenausdehnung?" (Nepstad et al. 1999), und:
"Wieviel Kohlenstoff speichert ein Wald eines bestimmten Typs und eines bestimmten Alters an einem bestimmten Ort?" (Houghton et al. 2001).
Die erste Frage kann beantwortet werden aus der Zusammenschau sozio-ökonomischer Trends und der Ergebnisse der orbitalen Fernerkundung. Deforestation wird global in einem zehn-jahres Zyklus, und für Teile Südamerikas sogar jährlich kartiert. Es wird vorgeschlagen, diese Ergebnisse mit einfachen Modellen der Verteilung von sekundärem und degradiertem Wald zu verbinden. Entsprechende Vorarbeit ist zum Beispiel von Alves und Skole (1996) und Nelson et al. (2000) geleistet worden. Typische Altersverteilungen und typische absolute Flächen der Waldtypen werden als Funktion sozio-ökonomischer Variablen beschrieben, die aus den statistischen Datensätzen zum Beispiel der FAO gewonnen werden können. Für jeden Ort im Amazonas wäre die anteilsmäßige Zusammensetzung der dort gegebenen Wälder aus Primärwald, Sekundärwald und degradiertem Wald vorhersagbar.
Die Beantwortung der zweiten Frage nach dem Kohlenstoffgehalt eines Waldes eines bestimmten Alters an einem bestimmten Ort ist nur durch Wuchs-Modellierung der Wälder im Amazonas-Becken möglich. Es wird vorgeschlagen, eine Sammlung punktueller Biomasse-Messungen von Primärwald (Malhi et al. 2002) als Funktion biophysischer Variablen zu beschreiben (Niederschlag, Höhenlage, Boden, etc.), die global flächendeckend verfügbar sind. Eine solches Verhältnis würde erlauben, die potentielle Biomasse eines Waldes allein aus der Kenntnis der Standorts-Eigenschaften zu berechnen, sodass Biomasse der Primärwälder des Amazonas flächendeckend modelliert werden kann (ter Steege et al. 2003). Außerdem wird vorgeschlagen, eine Sammlung punktueller Biomasse-Messungen von Sekundärwald als Funktion des Alters und als Funktion jener biophysischen Variablen zu beschreiben (Garcia 1983). Kann dies erfolgreich durchgeführt werden, so ist schließlich der Kohlenstoffvorrat von Vegetation für jeden beliebigen Wald-Typ an jedem beliebigem Ort im Amazonas bekannt.
Das kontinentale Kohlenstoff-Budget der südamerikanischen Wälder wird in neuer Weise eingeschätzt werden. Die integrierten sozio-ökonomischen und biophysiologischen Modelle für Waldverteilung, -wachstum und anthropogene Einflüsse auf Wald werden erlauben, den Kohlenstoffhaushalt über die letzten 25 Jahre neu zu berechnen. Kohlenstoff des Amazonas wird raum-zeitlich im Austausch zwischen Vegetation und Atmosphäre behandelt.